Im Frühjahr 2014 reiste die Familie A./S. aus Bosnien und Herzegowina nach Deutschland
ein und stellte einen Asylantrag. Als dieser abgelehnt wurde, stellte die Familie mit Hilfe
ihres Anwalts im Herbst 2017 einen Härtefallantrag. Trotz positiver Entscheidung der
Härtefallkommission Ende 2018 sitzen sie bis heute in Kettenduldungen fest. 
Das Innenministerium teilte die Ansichten der Härtefallkommission nicht und veranlasste im
Frühjahr 2019 alle Maßnahmen für eine Abschiebung der vorbildlich integrierten Familie.
Seit nunmehr fast fünf Jahren begleitet die Initiative|SCHLÜSSELMENSCH e.V. die Familie
im Rahmen einer Patenschaft. Im Zuge dessen konnte der Verein mitverfolgen, dass die
Familie von Anfang an keine Mühen scheute in Freiburg ein eigenständiges Leben als Teil
dieser Gesellschaft zu führen. Trotz aller Hürden schaffte es Familie A./S. sich im
Freiburger Alltag zurechtzufinden und sich eine eigenständige Existenz aufzubauen. Vor
diesem Hintergrund reichte der Verein im März 2019 eine Petition beim baden-
württembergischen Petitionsausschuss ein.
Nun wurde die Petition abgelehnt.
 
Laut Drucksache 16/3708 bestehen „informelle Kriterien“, die das Innenministerium von
Baden-Württemberg nach eigenen Angaben ansetzt. So können Personen, deren
Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurde, letztendlich nur dann eine
positive Härtefallantragsentscheidung erwarten, wenn vier Jahre nach der Ablehnung des
Asylantrages und der Härtefallantragstellung vergangen sind. Mit dieser Praxis wird der
§23a AufenhG ausgehebelt. Diese Kriterien wenden sich u.a. vor allem gegen Menschen
aus sicheren Herkunftsländern, die vor August 2015 eingereist sind. Auch im Fall von
Familie A./S. wurden diese Kriterien herangezogen und der Entscheidung der
Härtefallkommission entgegengesetzt.
Seit März 2019 wurde der Familie nun aufgrund des Ausbildungsverhältnisses der Mutter
in letzter Minute eine Ausbildungsduldung bewilligt. Diese ist an einen erfolgreichen
Abschluss der Ausbildung gekoppelt. Die ebenfalls im März 2019 eingereichte Petition
forderte eine Aufenthaltserlaubnis um für die Familie endlich die wohl verdiente Ruhe und
Perspektive zu erwirken, an der es aufgrund der permanenten Unsicherheit schon so
lange fehlt.
 
Doch vom Innenministerium und den Behörden gab es kein Entgegenkommen, die
Petition wurde abgelehnt. Es wird lediglich auf die Ausbildungsduldung verwiesen. In der
Begründung des Petitionsausschusses heißt es, dass die Familie mit der sogenannten
„3+2 Regelung“ eine Perspektive auf ein dauerhaftes Bleiberecht habe.
Sind die gesetzlichen Vorgaben für einen Aufenthalt, vor allem für Menschen aus
sogenannten sicheren Herkunftsländern, sehr eingeschränkt, so werden auf Landesebene
durch weitere informelle Kriterien (s. Drucksache 16/3708) die Gesetze und die Handhabe
noch weiter verschärft. Familie A./S. hat sich in bald sechs Jahren eine eigenständige
Existenz aufgebaut und verfügt bis heute nicht über die Gewissheit bleiben zu dürfen.
Allgemeine Ausführungen des Petitionsausschusses, dass die Familie in ein „dauerhaftes
Aufenthaltsrecht hineinwachsen“ werde, hilft der Familie nicht weiter. Für die Familie heißt
die Entscheidung zunächst, dass sie für die nächsten Jahre weiter in einem
Duldungsstatus, in Ungewissheit, leben müssen.
Auf der einen Seite werden geforderte Integrationsleistungen ein ums andere Mal
erbracht und auch durch die Härtefallkommission bestätigt, jedoch verhindern immer
höhere Hürden eine sichere Aufenthalts-Perspektive. Auf diese Weise schwebt über der
Familie das Damoklesschwert der Abschiebung. Familien werden zum Spielball von nicht
nachvollziehbaren Gesetzen, informellen Kriterien und Entscheidungen von Behörden die
allein politischen Interessen nachkommen.
Wie soll eine Familie ruhig schlafen können, die statt eines sicheren Aufenthaltstitels von
Duldung zu Duldung vertröstet wird? Wie sollen diejenigen weiter zu den geforderten
Integrationsleistungen motiviert werden, wenn sie in solch einer perspektivlosen
Ungewissheit leben?
Wir, die Initiative|SCHLÜSSELMENSCH e.V., können die Entscheidung des
Petitionsausschusses nicht nachvollziehen und werden uns weiterhin für einen
menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten einsetzen.
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