Eine Kampagne gegen die Grundrechtseinschränkungen in Sammelunterkünften

In diesem Beitrag klären wir über das Rechtsgutachten der Kampagne „Grundrechte am Eingang abgeben“ auf, das die Hausordnung in Landeserstaufnahmestellen als grundrechtswidrig bewertet.

Wir als Initiative Schlüsselmensch stehen als Mitunterzeichner auf den Offenen Briefen an das Land Baden-Württemberg und die Stadt Freiburg.  

 

Was ist die Kampagne „Grundrechte am Eingang abgeben“?

Die Kampagne wurde von den Freiburger Gruppen LEA-Watch und Aktion Bleiberecht initiiert, die sich für ein lebenswürdiges Leben für Menschen mit Fluchtgeschichte einsetzen.

Das geschieht unter anderem in Form von Demonstrationen, Aufklärungsarbeit und kürzlich in der Umsetzung eines Rechtsgutachtens, das die Hausordnung der Landeserstaufnahmestellen in Baden-Württemberg auf eine Verletzung der Grundrechte prüfte.

 

Was ist eine Landeserstaufnahmestelle?

In Baden-Württemberg gibt es insgesamt vier Landeserstaufnahmestellen (LEAs; eine davon in Freiburg), die eine Sammelunterkunft für jeweils mehrere hundert Asylsuchende darstellen. Nach der ersten Registrierung im Land werden die Asylsuchenden bis zu 18 Monaten in einer LEA verpflichtend untergebracht. Der Aufenthalt in einer LEA ist so lange verpflichtend, bis über den Asylantrag entschieden wurde. Unter Umständen kann auch eine unbegrenzte Unterbringung verlangt werden. Eine ausführliche Erklärung über das Asylvorgehen und die Unterbringung von Asylsuchenden findet ihr hier.

 

Was kennzeichnet das Leben in einer LEA?

Um das lagerartige Leben in einer der Sammelunterkünfte zu regeln, bestehen strenge Ordnungen und Beschränkungen. Einige davon sind hier aufgelistet:

  • Arbeitsverbot bis zu neun Monate – häufig darüber hinaus. Dagegen Verpflichtung zu Arbeitsgelegenheiten (Gehalt: 0,80€/Stunde) im Lager.
  • Residenzpflicht – Bewohner*innen dürfen einen bestimmten Bereich nur mit Erlaubnis verlassen.
  • Bei Verlassen ohne Erlaubnis drohen Geldstrafen bis hin zur behördlichen Abmeldung vom Asylverfahren.
  • Keine Selbstversorgung möglich.
  • Ein- und Ausgangskontrollen mit Taschenkontrollen.
  • Regelmäßige Zimmerkontrollen bei unregelmäßiger Begleitung von Polizist*innen.

Die Initiator*Innen der Kampagne beschreiben die Situation in den LEAs so:

Das Lager erfüllt damit nicht nur die Funktion einer Erstaufnahme im wörtlichen Sinne. Soziale Teilhabe wird den Asylsuchenden durch die Restriktionen effektiv verhindert. Das geschieht, obwohl nicht Wenige von ihnen, trotz vermeintlich schlechter Bleibeperspektive, lange bleiben werden.

Möglichkeiten sich eigenständig durch Integration am Arbeitsmarkt Bleibeperspektiven zu schaffen, werden nahezu verunmöglicht. Auch andere Institutionen wie Polizei und Sozialarbeit werden in rechtlich fragwürdige Situationen gebracht. Durch die Rahmenbedingungen birgt ein solches Großlager ein erhebliches Konfliktpotenzial.“

Die vollständige Hausordnung kann hier nachgelesen werden.

 

Warum ein Rechtsgutachten?

Die Erstaufnahme erfüllt mittel- bis langfristig die Funktion des erhofften Schutzraumes für die Asylsuchenden. Die herrschende Hausordnung in den LEAs bildet die Schnittstelle zwischen den Asylgesetzen und dem konkreten Alltagsgeschehen – deshalb ist die Vereinbarkeit der Hausordnung mit den Grundrechten insbesondere in Bezug auf die allgemeine Handlungsfreiheit, Persönlichkeitsrechte und die Unverletzlichkeit der Wohnung zu prüfen.

 

Was ergab das Rechtsgutachten?

LEA-Watch formuliert es so:

„Ein aktuelles Rechtsgutachten belegt: Hausordnungen von Sammellagern greifen rechtswidrig und intensiv in die Grundrechte der Geflüchteten ein. Das muss aufhören.“

 

Wir zitieren Ausschnitte aus der Zusammenfassung der Ergebnisse der Analyse:

Die Hausordnung der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg verletzt die Bewohner/innen in ihren Grundrechten,

insbesondere in Bezug auf

  1. die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG
  2. das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
  3. die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG.

Diese Grundrechtsverletzungen sind insbesondere wegen § 47 AsylG als besonders intensiv zu werten: Denn die Aufenthaltsdauer der Bewohner/innen in der Erstaufnahmeeinrichtung ist nicht nur vorübergehend, sondern kann (je nach Herkunftsland) das vollständige Asylverfahren umfassen.“

 

Und jetzt?

Durch die hohe Dichte ein Grundrechtseingriffen leiten die Autorinnen die staatliche Pflicht ab, die Bewohner*innen vor Eingriffen zu schützen. Deshalb wurden im Rahmen der Kampagne „Grundrechte am Eingang abgegeben“ ein Offener Brief an das Land Baden-Württemberg mit folgenden Forderungen gerichtet:

  1. Die Hausordnung in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist grundrechtskonform zu gestalten.
  2. Die Einrichtung von lokalen, unabhängigen Monitoring- und Beschwerdestellen
  3. Dezentrale Unterbringung für Geflüchtete

 

Auch an die Stadt Freiburg wurde ein Offener Brief mit diesen Forderungen gerichtet:

  1. Als Vertragspartner muss sich die Stadt Freiburg beim Land für eine menschenwürdige Unterbringung einsetzen
  2. Die Einrichtung einer lokalen, unabhängigen Monitoring- und Beschwerdestelle
  3. Wohnungen für Geflüchtete

 

Wir als Initiative Schlüsselmensch stehen als Unterzeichner und Unterstützer hinter den Forderungen der Kampagne!

Bildquelle

 

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