Warum unserer Meinung nach Engagement für und mit Geflüchteten notwendig ist und wie wir dieses gestalten:

Geflüchtete in Deutschland erleben täglich, was es bedeutet, ausgeschlossen zu sein. Wenn sie es über die Grenzen nach Deutschland geschafft haben, leben die Geflüchteten räumlich und sozial am Rande der Gesellschaft. Die Wohnheime, in denen die Geflüchteten auf engstem Raum zusammenleben, befinden sich häufig in entlegenen Stadtvierteln oder Industriegebieten (betrifft in Freiburg vor allem St. Christoph in der Hermann-Mitsch-Str. und das Wohnheim in der Mooswaldallee), bieten wenig Privatsphäre und kaum Möglichkeiten für den Austausch mit Menschen außerhalb des Wohnheims. Die meisten der Familien im Freiburger Flüchtlingswohnheim St. Christoph leben in Kettenduldungen und damit in ständiger Unsicherheit, abgeschoben zu werden. Ein tatsächliches „Ankommen“ an einem sicheren Ort, die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft, sowie ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben wird den Familien damit von Beginn an unmöglich gemacht.
In unserer Gesellschaft sind die Geflüchteten häufig „unsichtbar“, sie existieren nicht als gleichberechtigte Bürger_innen mit politischer Mitsprache und gleichwertiger Anerkennung im gesellschaftlichen und beruflichen Leben: Sie genießen beispielsweise keine vollständige Bewegungs- und Berufsfreiheit, keine freie Wahl des Wohnsitzes und haben – wenn doch einmal eine Arbeitserlaubnis erteilt wurde –  einen nachrangigen Arbeitsmarktzugang. Das aktive und passive Wahlrecht und somit die Mitsprache bei den sie selbst betreffenden Entscheidungen ist ihnen vorenthalten. Sie erfahren einen strukturellen und individuellen Rassismus.[1]

 

Selbstverständnis und Ziele

Unsere Initiative basiert auf der Solidarität mit Geflüchteten.Geflüchteten Menschen ein würdiges und gleichberechtigtes Dasein zu ermöglichen ist eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung. Diese ergibt sich aus der historischen Verantwortung Deutschlands sowie aus der Selbstverpflichtung gegenüber den Grundwerten der freiheitlichen Demokratie. Somit verstehen wir unser Engagement auch explizit als ein politisches.
Durch das Patenschaftsmodell möchten wir ganz konkret einer Isolation entgegenwirken und den Austausch mit Flüchtlingen und das Verständnis für ihre schwierige Situation fördern. Die vorhandenen Barrieren sollen durch ein gemeinsames Kennenlernen auf Augenhöhe und eine daraus resultierende Unterstützung und Respekt füreinander überwunden bzw. zumindest entschärft werden.
Zivilgesellschaftliches Engagement wie das unsere darf jedoch nicht dazu führen, dass gesellschaftliche Missstände kaschiert werden. Wir sehen es vielmehr als unsere Pflicht, diese aufzuzeigen und zur Diskussion zu stellen.

Name

Der Name entstand, als uns ein Zeitungsartikel in die Hände fiel: ein junger Arzt, der als Flüchtling nach Deutschland gekommen war, beschrieb, wie schwierig und steinig sein Weg war, bis er bleiben konnte. Nur weil es immer wieder Menschen gab, die sich gemeinsam mit ihm gegen den strukturellen Rassismus in der Gesellschaft und für seine Situation einsetzten, war es ihm möglich, schließlich zu studieren und in Deutschland zu bleiben. Diese Menschen, die er an allen Ecken seines Lebens getroffen hatte, nannte der junge Mann „Schlüsselmenschen“.
Der Name Initiative|SCHLÜSSELMENSCH drückt also aus, dass der Kontakt zwischen Geflüchteten und der sogenannten Mehrheitsgesellschaft nichts Selbstverständliches ist. Wir möchten diesen herstellen. Dabei ist es uns wichtig, dass dieser Austausch auf Beidseitigkeit basiert und wir sehen es als Herausforderung und Notwendigkeit, die Patenschaften jenseits eines im Umgang mit Geflüchteten häufig entstehenden Paternalismus zu etablieren.

 


[1]
Kleine Begriffserklärung: Von strukturellem Rassismus spricht man, wenn das gesellschaftliche System mit seinen Rechtsvorstellungen und seinen politischen und ökonomischen Strukturen Ausgrenzungen bewirkt, während der institutionelle Rassismus sich auf Strukturen von Organisationen, eingeschliffene Gewohnheiten, etablierte Wertvorstellungen und bewährte Handlungsmaximen bezieht. Der strukturelle schließt also den institutionellen Rassismus ein. Der individuelle Rassismus hingegen beruht auf persönlichen Handlungen und Einstellungsmustern und bezieht sich auf die direkte persönliche Interaktion. Zitiert nach: Rommelspacher, Birgit (2009): Was ist eigentlich Rassismus?

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