Freiburg, den 08.04.2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

angesichts der weltweiten Ausbreitung des Corona-Virus wurden bundesweit in den letzten Wochen viele Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung zu verlangsamen und somit die Menschen und das Gesundheitssystem zu schützen. Dies bedeutet weitgehende Einschränkungen im täglichen Leben für alle Bürger*innen. Solidarität ist in diesen Zeiten besonders wichtig und bereits vielerorts zu finden.

Wir wenden uns mit diesem offenen Brief an Sie, damit alle in unserer Gesellschaft Lebenden diesen Schutz und Solidarität erfahren können.

Wir, die Initiative|SCHLÜSSELMENSCH e.V., setzt sich im Rahmen eines Patenschaftsprogramms für Geflüchtete in Freiburg ein. Ganz aktuell sind alle Patenschaften, Besuche und weitere Angebote des Vereins (Lesen, Fußball, Gemeinschaftsaktionen) untersagt. In den vergangenen Tagen wurde das Besuchsverbot sogar noch bis zum 20.04.2020 verlängert. Damit ist der Zugang zu dieser Gruppe Menschen seit nun schon über drei Wochen fast unmöglich. Die im „normalen“ Alltag bereits bestehende gesellschaftliche Isolation der Gemeinschaftsunterkünfte, meist am Stadtrand oder in Industriegebieten, wird angesichts der aktuellen Lage noch größer. Zudem zeigt sich einmal mehr die Problematik von Sammelunterkünften: sowieso benachteiligte Bewohner*innen unserer Stadt werden durch die Art der Unterbringung zu einer Risikogruppe. Die Bewohner*innen müssen mit härteren Maßnahmen zurechtkommen, da das Vermeiden von Kontakten in ihrem eigenen Zuhause nahezu unmöglich ist. Abstand halten klingt da fast zynisch. Sowohl in den Gemeinschaftsunterbringungen der Stadt Freiburg als auch in der Landeserstaufnahemstelle sind die Bewohner*innen einem besonders hohen Risiko ausgesetzt.

Dies Gilt nicht nur für die Lager in Freiburg und Deutschland. Auch in Griechenland müssen tausende von Menschen in Massenunterkünften ausharren und haben keinerlei Chancen sich und ihre Angehörigen vor dem Virus zu schützen. Ohne ein funktionierendes Gesundheitssystem und unter Aussetzung des Asylgesetzes sind sie dort vollkommen schutzlos ausgeliefert.

Die aktuelle Situation zeigt deutlich und unübersehbar, dass eine dezentrale Unterbringung nicht nur respektvoller ist und den Menschen hilft in unserer Gesellschaft anzukommen, sie zeigt auch welches Risiko und Gefahrenpotential Sammelunterkünfte oder die Lager an den Außengrenzen der EU mit sich bringen.

In dem Schreiben des Amts für Migration und Integration der Stadt Freiburg an alle ehrenamtlich Tätigen, versichern Sie eine enge Zusammenarbeit und viele Bemühungen, da Sie sich der schwierigen Situation in den Sammellagern bewusst sind. Die weiteren Bemühungen der Stadt die Lage in der Landeserstaufnahme zu entspannen und 80 Menschen in der Jugendherberge unterzubringen begrüßen wir sehr.

Dennoch fordern wir:

  • Eine dezentrale Unterbringung aller in Freiburg lebender Schutzsuchender und die sofortige Prüfung weiterer Kapazitäten in Freiburg
  • Die Aufnahme von Schutzsuchenden aus den Lagern an den EU-Außengrenzen in Freiburg und das Ausschöpfen aller Möglichkeiten auf kommunaler Ebene

Durch das Patenschaftsprogramm begleiten wir einige Kinder und Familien schon seit langer Zeit, manchmal schon seit Jahren. Viele der Familien leben schon lange in Freiburg und sind Teil dieser Gesellschaft geworden, so gut es ihnen möglich ist. Dennoch haben viele von ihnen prekäre Aufenthaltstitel oder hangeln sich seit Jahren von einer zur nächsten Duldung. Durch die Maßnahmen in Bezug auf das Corona-Virus ist es manchen von ihnen nicht möglich Termine z.B. zur Verlängerung von Dokumenten, bei den Behörden fristgerecht wahrzunehmen. Oder die oftmals prekären Arbeitsverhältnisse haben im Zuge von möglicher Kurzarbeit weitreichende Folgen: Mieten und andere laufende Kosten können nicht mehr beglichen werden, wodurch ein Unterstützungsbedarf durch die Behörden entsteht. Dies kann direkten negativen Einfluss auch auf laufende Asyl- und Aufenthaltsverfahren haben.

Deshalb fordern wir weiter, wie die Stadt Berlin beispielhaft bereits Maßnahmen ergriffen hat:

  • Eine Aussetzung der Rückführungen und Online-Verfahren bei der Ausländerbehörde, um mögliche Nachteile, die durch die Unmöglichkeit einer persönlichen Vorsprache bei den Behörden verursacht werden, auszuschließen

Den weiterreichenden Forderungen, die PROAsyl in einem Offenen Brief an die Bundesregierung, das Bundesministerium des Inneren und die Innenministerien der Länder gerichtet haben, möchten wir uns hiermit anschließen.

Wir bitten Sie als Verantwortliche der Stadt Freiburg und in der Funktion als Vertreter des Landes im Regierungspräsidium Freiburg diese Forderungen ernst zu nehmen. In dieser besonderen Situation gilt es Solidarität mit ALLEN Menschen dieser Stadt zu zeigen und im Sinne eines Menschenrechtsschutzes für ALLE zu handeln.

 

Initiative|SCHLÜSSELMENSCH e.V.

 

 

 

 

 

Weitere unterzeichnende Gruppen:

Uni für Alle Freiburg e.V.                   Bike Bridge e.V.

Uni für Alle informiert über das Buddyprogramm. (Foto: Promo)                            Bike Bridge - Bewegen. Verbinden. Stärken. Fahrradfahren für alle.

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